
Der Herbst hat etwas Besonderes. Die Tage werden kürzer, das Licht weicher, die Luft klarer. Wir erleben, wie sich die Natur verwandelt: Bäume verlieren ihre Blätter, Früchte werden geerntet, Felder geleert. Für viele ist der Herbst eine Zeit des Sammelns und Dankens – das Erntedankfest macht uns bewusst, wie reich wir beschenkt sind.
Doch der Herbst erinnert uns auch daran, dass vieles vergeht. Was im Frühling gesät wurde, wird nun eingeholt, was blühte, vergeht, was grün war, verfärbt sich und fällt zu Boden. Es ist eine Zeit des Loslassens – und auch das gehört zum Leben.
Mitten in dieser Jahreszeit spricht Jesus ein Wort, das uns aufhorchen lässt: „Das Reich Gottes ist mitten unter euch.“ Damals fragten die Menschen ihn, wann Gottes Reich endlich kommt. Sie sehnten sich nach einem klaren Zeichen, nach einem Zeitpunkt, an dem alles neu wird. Doch Jesus lenkt den Blick weg von der Frage nach dem „Wann“ und hin zu dem „Wo“ .Nicht in der Ferne, nicht irgendwann in unbestimmter Zukunft – sondern jetzt, hier, mitten unter uns.
Das Reich Gottes ist also kein fernes Land, das wir erst noch erreichen müssen. Es beginnt dort, wo Menschen im Vertrauen auf Gott leben, wo sie teilen, helfen, einander tragen. Es beginnt, wenn wir den Blick füreinander nicht verlieren. Vielleicht ist es manchmal nur ein kleines Lächeln, ein freundliches Wort, eine helfende Hand – doch genau darin bricht etwas von Gottes Reich auf.
Der Herbst hilft uns, diesen Gedanken zu verstehen. Denn auch in dieser Zeit voller Abschied und Vergänglichkeit steckt eine große Fülle. Gerade wenn die Blätter fallen, zeigen sie in all ihrer Farbenpracht noch einmal das Leben. Wenn die Ernte eingebracht wird, sehen wir, wie viel gewachsen ist. Und wenn es draußen dunkler wird, dann können wir das Licht in unseren Häusern und Herzen umso deutlicher wahrnehmen.
So möchte uns der Herbst zeigen, das Reich Gottes mitten unter uns wahrzunehmen: nicht erst am Ziel, sondern schon auf dem Weg. Im Alltag, im Dank für das, was wir haben, im Vertrauen, dass Gott uns auch durch die dunkleren Tage begleitet.
Und wenn dann die Advents- und Weihnachtszeit näher rückt, erinnern wir uns: In Jesus Christus ist Gottes Reich tatsächlich mitten unter uns sichtbar geworden. Ein Kind in der Krippe – so schlicht, so unscheinbar, und doch der größte Trost für die Welt.
Mein Wunsch für uns alle ist es, dass wir im Herbst die Schönheit des Augenblicks sehen, im Alltag das Reich Gottes entdecken – und an Weihnachten neu spüren, wie nah uns Gott in seinem Sohn gekommen ist.
Julian Humpl, Prädikant